Lara Schuhwerk ist Gründerin der beiden Startups Beneto Farm und Beneto Foods. Mit beiden Firmen verfolgt sie eine mutige Vision: Den Hunger mit einer nachhaltigen Proteinquelle stillen. Die Lösung: Insekten, genauer Grillen. Ihre leckere High-Protein-Pasta aus Grillenmehl ist bereits online erhältlich. Doch löst die Pasta lange nicht das Problem. Bevor es die High-Protein-Pasta in den Einzelhandel schafft und für alle bezahlbar wird, muss der Rohstoff ‚Grille‘ erstmal fair, biologisch und effizient gehandelt werden. Der aktuelle Markt kann das nicht leisten, weil die Reproduktion und Aufzucht der Grillen immer noch in mühevoller Handarbeit passiert. Deshalb setzt Lara bereits in der Rohstoffherstellung an – dem ‚Insect Farming‘. Gemeinsam mit ihrem 6-köpfigen Team entwickelt Lara zunächst eine teil- und dann vollautomatisierte Grillenfarm. Auf diese Weise kann der Rohstoff ‚Grille‘ nicht nur viel günstiger angeboten werden; auch die Arbeitsbedingungen und die Hygienezustände beim Insect Farming werden erheblich verbessert.
Die Zukunft zirpt: Warum Grillen essen?
Als Fitness-Begeisterte hat sich Lara während ihres Masterstudiums die Frage gestellt, wie sie ihren Proteinbedarf decken kann, ohne auf tierische Proteinquellen zurückzugreifen. Beim Tier ist sie geblieben. Allerdings hat sie mit dem Insekt eine Proteinquelle gefunden, die unsere Nutztiere wie Rind und Huhn entlastet und in der Reproduktion und Aufzucht wesentlich umweltfreundlicher ist.
In einer 2019 mit der Hochschule Nürtingen-Geislingen durchgeführten Studie lässt sich das belegen. Wenn 25% der jährlichen alters- und bedarfsgerechten Proteinversorgung in Deutschland aus Insekten gewonnen werden, ergeben sich folgende ökologische Ersparnisse im Jahr für Deutschland: 19% weniger Wasserverbrauch, 20% weniger CO2-Emissionen, 22% weniger Flächenverbrauch.
Gleichzeitig macht Insektenessen ernährungsphysiologisch sehr viel Sinn: Eine Proteinreiche Ernährung ist gesund für unseren Körper. Die Grille hat bis zu 70% Protein, viel Vitamin B12 sowie viele Ballast- und Mineralstoffe. Im Vergleich: Grillen haben mehr Proteine als Rindfleisch, mehr Vitamin B12 als Fisch, mehr Eisen als Brokkoli und mehr Calcium als Milch. Grillen sind also echte Multitalente in puncto Nährstoffe und tragen somit zu einer ausgewogenen Ernährung bei. Darüberhinaus kommt der Grillenanbau im Gegensatz zur Massentierhaltung von Rind und Huhn ganz ohne Hormone und Antibiotika aus.
Beneto besteht übrigens aus den beiden Wörtern ‚bene‘ für italienisch gut und ‚to‘ als Insider-Abkürzung für Entomophagie, was den Humanverzehr von Insekten beschreibt. Unterm Strich steht Beneto also für gutes und leckeres Insektenessen. Benetarismus ist das Gegenteil von Verzicht: Es geht darum, eine Balance zu finden, d.h. mit ökologisch und ethisch reinem Gewissen gesunde tierische Eiweiße verzehren zu können.
Start mit Beneto Foods: Die Revolution beginnt auf dem Teller
Zunächst wollte Lara zeigen, dass der Kundenwunsch für eine alternative Proteinquelle aus Insekten da ist. Deshalb ist sie 2019 mit Beneto Foods gestartet. Der Entschluss, eine High-Protein-Pasta auf den Markt zu bringen, war ein pragmatischer: Nudeln sind nach Fleisch das Lieblingsgericht der Deutschen und unkompliziert in der Herstellung.
Mit den Geschmacksrichtungen Tomate, Steinpilz, Curry und Schoko-Zimt erinnert die Pasta so gar nicht mehr an Insekt, hat aber trotzdem einen Proteingehalt von 40%. Das ist rund das Vierfache an Proteinen wie bei herkömmlichen Nudeln. Die Konsistenz erinnert an eine klassische Vollkornnudel – wenn man noch nie Insekten gegessen hat, falle der Unterschied gar nicht auf, so Lara. Die High-Protein-Pasta von Beneto Foods gibt es bisher nur online zu kaufen.
Fokus auf Beneto Farm: Der Rohstoff als Schlüssel zur Nachhaltigkeit
Mit der High-Protein-Pasta konnte Lara die signifikanten Probleme im Markt sichtbar machen: Die Insektenfarmen produzieren den Rohstoff Grille mit 46 bis 127 Euro pro Kilogramm viel zu teuer, sodass er für den B2C und B2B Kunden nicht erschwinglich ist. Die Qualität von Nährstoffen, Geruch, Farbe und Geschmack schwankt starkt. Kunden haben wenig Vertrauen in die Nachhaltigkeit des Grillengeschäfts: Sie lehnen Insekten aus Übersee ab und kritisieren die mangelnde Transparenz, die Rückverfolgbarkeit und die langen Transportwege. Diese Probleme sind zum Großteil auf die Art und Weise zurückzuführen, wie Grillen derzeit aufgezogen werden.
Der Grillenanbau besteht aus drei Schritten:
Schritt 1: Die Reproduktion – Wie kommt man an Eier zum Ausbrüten?
Schritt 2: Die Aufzucht – Wie werden die ausgebrüteten Insekten zu einer erntereifen Grille?
Schritt 3: Die Verarbeitung – Wie kommt man vom erntereifen Tier zum Rohstoff, der als Pulver oder zerlegt in Proteine verkauft werden kann? Wie kommt der Rohstoff in verschiedene Industrien?
Im Moment werden Grillen im Rahmen der konventionellen Bodenhaltung in Eierkartons oder in Plastikboxen gehalten und täglich von Hand versorgt, d.h. entkotet, gefüttert und tote Grillen beseitigt. Der Arbeitseinsatz ist viel zu hoch und fehleranfällig. Die großen Populationen auf engstem Raum sind anfällig für Krankheiten.
Hinzu kommt, dass der europäische Markt erst vor Kurzem für den Handel von Insekten als Nahrungsmittel geöffnet wurde. Bis 2018 galt das Insekt in der EU noch als Schädling und nicht als Nahrung. Der weltweite Markt ist mit vielen kleinen Playern sehr komplex: Rohstoffproduktion und Lebensmittelherstellung sind kaum bis gar nicht aufeinander abgestimmt. Und das obwohl das Insekt neben der Food-Industrie noch weitere spannende Anwendungsfelder bietet. Der Insektenpanzer Chitin kann z.B. für Verpackungen, als Plastikersatz oder für wasserabweisende Oberflächen eingesetzt werden – Chitin fällt in der Grillenaufzucht in großen Mengen als Nebenprodukt an, da sich die Grillen im Wachstum bis zu neun Mal häuten.
Seit 2020 arbeitet Lara mit ihrem Team intensiv an der Automatisierung des Grillenanbaus. Damit möchte sie die Probleme am Ursprung packen und den Rohstoff Insekt zukunftsfähig anbauen. Dabei ist es ihr besonders wichtig transparent zu machen, woher der Rohstoff Grille kommt und wie er verarbeitet wird. Sie glaubt fest an das Potenzial der Grille. Und nicht nur sie: In den letzten drei Jahren sind europaweit ca. 700 Millionen Euro in die Entwicklung der Insektenindustrie geflossen.
Die Lösung: Ein zwei Meter großer Schrank
Beneto Farm entwickelt eine vollautomatisierte Grillenfarm, die sich mit einer C02-neutralen Proteinproduktion ideal in eine Kreislaufwirtschaft einbindet und damit neue Standards setzt. Die Kosten für den Rohstoff Grille können dadurch bereits im ersten Schritt erheblich gesenkt werden, so die Prognose des Gründerteams. Das sei essentiell, um das volle Potenzial des Rohstoffs heben zu können. Denn wenn sich niemand eine Packung leisten kann, ist das Problem nicht gelöst. Nur wenn der Rohstoff Grille finanzierbar ist, kann er mit der konventionellen Nutztierhaltung mithalten und eine echte Alternative zu anderen tierischen Proteinquellen sein.
Der Prototyp selbst sieht aus wie ein zwei Meter großer Schrank. Die Insekteneier werden oben eingeführt, unten kommt die erntereife Grille raus. Der Schrank ist im Vergleich zur traditionellen Anzucht wesentlich tiergerechter organisiert, weil er den Platz je nach Lebensalter und Größe der Grillen angemessen portioniert. Er ist zudem mit unterschiedlichen Sensoren und Kamerasystemen ausgestattet, um die Grillen zu tracken. Eine App sagt, in welchem Schrank Handlungen erforderlich sind und erspart dem Farmer so die Überwachung. Ganz ohne Menschen geht es also nicht. Ähnlich wie bei einem Melkroboter gilt folgendes Prinzip: Der Bauer kann gezielt eine bestimmte Kuh behandeln, ohne jede Kuh abtasten zu müssen.
Meilenstein erreicht: Der Proof-of-Concept steht
Beneto Farm konnte sich im letzten Jahr dank des EXIST-Gründerstipendiums voll auf die technische Entwicklung des Prototypen konzentrieren. Den Proof-of-Concept für die Teilautomatisierung der Grillenaufzucht haben sie erbracht: Der Prototyp ist funktionsfähig.
Das Team ist auf sechs Köpfe gewachsen und sehr divers aufgestellt; mit Kenntnissen in den Bereichen Software-Development, Künstliche Intelligenz, Biologie, Betriebswirtschaft, Maschinenbau und Konstruktion sowie Elektronik und Mechanik ist Beneto Farm für kommende Herausforderungen bestens gewappnet. Das Team wird durch Experten aus Forschung und Entwicklung in den Bereichen (Evolutions-)Biologie, Tiermedizin, Tierverhalten und Betriebswirtschaft beratend ergänzt. Außerdem unterstützen einige Landwirte, Lebensmittel- und Pet-Food-Unternehmen das Vorhaben.
Aktuelle Herausforderungen
Beneto Farm möchte nun ein seriennahes Produkt auf den Markt bringen. Der Prototyp soll zeitnah in Betrieb genommen werden und die erste Tonne Grille produzieren. Neben der eigenen Grillen-Produktion soll die Technologie auch als Produkt an Landwirte verkauft werden. Zu diesem Zweck sucht das Gründerteam aktuell nach Kontakten in die Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft und Pet-Food-Industrie sowie nach einem Austausch mit Maschinenbauingenieuren, Biologen und Agrarwissenschaftlern, Energie und Klima-Spezialisten.
Nach Abschluss des EXIST-Stipendiums konnte das Gründerteam bereits die Anschlussfinanzierung für die nächsten sechs Monate sicherstellen. Jetzt geht es bereits um die Finanzierung der Seed-Phase 2022, welche sie zum Teil auch über Fördermittel decken wollen.
Unterstützung aus der Community
Mehrere Enabler aus unserer Community unterstützen Lara bei fachspezifischen Themen: Martin Hendel speziell bei Themen der Supply Chain und Konsumgüterindustrie, Salvatore Decker bei Produktplatzierung im Einzelhandel, Warenwirtschaftssystem und dem Thema Datenbanken. Amit Shah konnte außerdem kürzlich den Kontakt zu einem deutschen Pet-Food-Unternehmen herstellen, das auf den Einsatz von Insektenmehl spezialisiert ist.
Auf der Suche nach Talenten
Das 6-köpfige Team rund um Lara mit Sitz in Albstadt sucht operative Unterstützung im Bereich Maschinenbau und Biologie sowie einen Praktikanten bzw. eine Praktikantin. > jetzt bewerben
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